Was Entscheider und Einkäufer über das neue Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug wissen müssen
Am 29. Juli 2014 ist ein neues Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr in Kraft getreten. Für Unternehmen bedeutet das vor allem: Es kann nicht mehr alles nach eigenem Gutdünken vereinbart werden. Wer die neuen Regeln nicht kennt oder nicht beachtet, riskiert die Unwirksamkeit der eigenen Zahlungszielklauseln. Dann drohen extrem kurze Zahlungsfristen, was die Liquidität und damit im Extremfall sogar die unternehmerische Existenz gefährden kann. Die Erfahrungen der ersten Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes zeigen, dass hier weiterhin erheblicher Informations- und Nachholbedarf besteht. Im Folgenden lesen Sie, was Sie beachten sollten und wie Sie für rechtssichere Vereinbarungen sorgen.
Gesetzliche Änderungen für Zahlungsziele: Was ist zu beachten?
Mit dem neuen Gesetz wurden eine Reihe von Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geändert oder ergänzt und dadurch (teilweise erstmals) konkrete rechtliche Vorgaben dazu gemacht, welche Zahlungsfristen vertraglich zwischen Unternehmen vereinbart werden können. Daher müssen alle Zahlungszielklauseln in Individualverträgen sowie in Allgemeinen Geschäftsbedingungen überprüft und gegebenenfalls überarbeitet werden. Ansonsten drohen unangenehme Rechtsfolgen. Nur wenige Fälle sind von der Anwendung der neuen Regeln ausgenommen.
Zahlungsziele in Individualverträgen: Was ist „nicht grob unbillig“?
Nach dem neu eingeführten § 271a BGB sind individuell vereinbarte Zahlungsfristen zwischen Unternehmen grundsätzlich auf höchstens 60 Tage nach Empfang der Gegenleistung bzw. nach Rechnungszugang zu beschränken. Vereinbarungen über längere Zahlungsfristen sind nur wirksam, wenn sie ausdrücklich getroffen und im Hinblick auf die Belange des Gläubigers der betroffenen Entgeltforderung nicht grob unbillig sind.
Das erste Kriterium (“ausdrücklich getroffene Vereinbarung”) bereitet wenig Kopfzerbrechen, da sich eine ausdrückliche Vereinbarung im Sinne der Rechtsklarheit ohnehin empfiehlt und auch in der Vergangenheit der gelebten Praxis entsprechen dürfte. Ganz anders verhält es sich mit dem zweiten Kriterium: “nicht grob unbillig”. Insoweit ist bislang völlig unklar, welche Fälle hierunter fallen können. Sicher ist jedoch, dass diese Regelung als gesetzlicher Ausnahmefall ausgestaltet ist. Es kommt also darauf an, ob der Zahlungsschuldner ein legitimes Interesse im Sinne eines „objektiven Grundes“ an einer längeren Frist hat. Dieses ist dann gegen die Interessen des Zahlungsgläubigers abzuwägen. Das Ziel, sich zusätzliche Liquidität zu verschaffen, wird jedenfalls als legitimes Interesse nicht ausreichen. Im Streitfall trägt der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine längere Zahlungsfrist als 60 Tage im konkreten Fall nicht grob unbillig ist; kann er den Nachweis nicht führen, ist die Klausel unwirksam.
Die neuen Regeln gelten nicht für Abschlagszahlungen und Ratenzahlungen (§ 271a Abs. 5 BGB) und auch nicht für Stundungsvereinbarungen. Es dürfte allerdings unzulässig sein, die neuen Fälligkeitsvorschriften dadurch zu umgehen, dass bereits von Vornherein eine Stundung oder Ratenzahlung sämtlicher Entgeltforderungen vereinbart wird.
Zahlungsziele in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB): Länger als 30 Tage regelmäßig unwirksam
In AGB, die vom Schuldner (Empfänger einer Leistung) gestellt werden (meist “Allgemeine Einkaufsbedingungen” genannt), darf der Verwender der AGB sich nach § 308 Nr. 1a BGB keine unangemessen langen Zahlungsfristen einräumen lassen. Wenn der Verwender Unternehmer ist, wird vermutet, dass eine Frist von mehr als 30 Tagen nach Empfang der Gegenleistung beziehungsweise nach Zugang der Rechnung unangemessen lang ist. Ob und in welchen Fällen diese Vermutung widerlegt werden kann, ist wiederum unklar. Regelmäßig werden AGB-Klauseln, die eine längere Frist als 30 Tage für Zahlungen des AGB-Verwenders vorsehen, daher unwirksam sein.
Rechtsfolgen unzulässiger Zahlungsziele: Sofortige Fälligkeit
Wenn eine Zahlungsfrist unzulässig lang ist, ist sie unwirksam, der Vertrag im Übrigen bleibt aber wirksam. An die Stelle der unwirksamen Zahlungsfrist tritt dann die gesetzliche Regelung: Nach § 271 Abs. 1 BGB sind geschuldete Leistungen im Zweifel sofort zu erfüllen und nach § 286 Abs. 3 BGB gerät der säumige Schuldner spätestens 30 Tage nach Rechnungszugang in Verzug, mit allen laut Gesetz oder dem jeweiligen Vertrag daran anknüpfenden Rechtsfolgen. Der Gläubiger kann den Verzug allerdings durch Mahnung bereits vorher – unmittelbar nach Fälligkeit – herbeiführen (§ 286 Abs. 1 BGB). Eine “geltungserhaltende Reduktion”, das heißt eine bloße Verkürzung der unzulässig langen Zahlungsfrist auf die gerade noch zulässige Zahlungsfrist findet nicht statt. Dies kann Schuldner im Zweifelsfall in erhebliche Liquiditätsprobleme bringen.
Nur wenige Ausnahmen: Anwendbarkeit der neuen Regeln und Übergangsregelung
Die hier dargestellten Regelungen gelten bereits seit dem 29. Juli 2014 und sind nach Art. 229 § 34 EGBGB auf alle Vertragsverhältnisse anzuwenden, die ab diesem Datum entstanden sind. Abweichend hiervon sind sie aber auch auf vor diesem Datum entstandene Dauerschuldverhältnisse anzuwenden, soweit die jeweilige Gegenleistung (Lieferung/Leistung) nach dem 30. Juni 2016 erbracht wird. Mit anderen Worten: Die bisherigen Vorschriften gelten bei einem Leistungsaustausch nach dem 30. Juni 2016 nur noch dann, wenn dieser auf einem vor dem 29. Juli 2014 geschlossenen Vertrag beruht, der nicht als Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren ist.
Handlungsbedarf: Was sollten Sie jetzt tun?
Sofern Sie Ihre Zahlungszielklauseln in Verträgen und AGB noch nicht auf Übereinstimmung mit den neuen Regelungen überprüft haben, sollten Sie dies sehr dringend tun. Achten Sie bitte darauf, dass die neuen Formulierungen rechtssicher und eindeutig sind. Verlassen Sie sich nicht ohne fundierte Anhaltspunkte darauf, dass Ausnahmeregelungen eingreifen. Lassen Sie sich in allen Zweifelsfällen beraten.
__________
Der Autor: Rechtsanwalt Dr. Thorsten Steinhaus ist Partner in der Rechtsanwaltskanzlei TRACC LEGAL in München. Tätigkeitsschwerpunkte von Dr. Steinhaus sind Unternehmenstransaktionen, der Gewerbliche Rechtsschutz und das Wettbewerbsrecht, die Beratung und Vertragsgestaltung auf dem Gebiet des Zivil- und Wirtschaftsrechts und die Vertretung in Gerichts- und Schiedsverfahren auf den vorgenannten Gebieten. Für eine persönliche Beratung erreichen Sie ihn unter der Rufnummer +49-(0)89-95 44 302-11 und per E-Mail: steinhaus@tracc-legal.de .