Der Verkäufer, der neben einem Unternehmen auch noch eine Darlehensforderung gegen das Unternehmen verkauft, haftet möglicherweise vier Jahre lang für den Fall, dass der Erwerber sich Zinsen oder Tilgungen auf die erworbene Darlehensforderungvon dem Unternehmen auszahlen lässt, das Unternehmen dann insolvent wird und der Insolvenzverwalter die erfolgten Zahlungen erfolgreich anficht. Das legt ein immer noch wenig bekanntes Urteil vom März 2015 nahe.
Das Urteil des BGH zum qualifizierten Rangrücktritt
Mit Urteil vom 05.03.2015 hat der Neunte Zivilsenat des BGH (IX ZR 133/14) entschieden, dass
- Ein qualifizierter Rangrücktritt bei bestehender Insolvenzreife nicht aufgehoben werden kann und
- Rückführungen von oder Zinszahlungen auf Darlehen, die mit einem qualifizierten Rangrücktritt versehen sind, mangels Rechtsgrund zurückgefordert und als unentgeltliche Leistung angefochten werden können.
Dem Urteil lag folgender Fall zugrunde
Der Darlehensgläubiger eines mit einem qualifizierten Rangrücktritt versehenen Darlehens hatte sich zu einem Zeitpunkt, in dem objektiv Insolvenzreife des Darlehensnehmers gegeben war, Zinsen auf sein Darlehen bezahlen lassen. Über das Vermögen des Darlehensnehmers wurde später das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter verlangte von dem Darlehensgeber die Herausgabe der vom Darlehensnehmer bezahlten Zinsen. Bei Darlehensgeber und Darlehensnehmer handelte es sich nicht um miteinander verbundene oder sich nahestehende Gesellschaften.
Das OLG Düsseldorf lehnte den Anspruch des Insolvenzverwalters ab, während der BGH dem Anspruch voll stattgab.
Die Begründetheit des Anspruchs stützt der BGH einmal auf § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Nach dem Verständnis des BGH darf eine Forderung mit qualifiziertem Rangrücktritt solange nicht getilgt werden, wie sich der Schuldner der Forderung im Stadium der Insolvenzreife befindet. Erfolgt dennoch eine Tilgung der Forderung, stellt dies eine Leistung auf eine Nichtschuld dar, die einen Erstattungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auslöst. Darüber hinaus führt der BGH aus, dass ein bestehender qualifizierter Rangrücktritt, als echter Vertrag zugunsten Dritter, nur aufgehoben werden kann, wenn entweder alle Gläubiger des Forderungsschuldners dem zustimmen, oder die Aufhebung des qualifizierten Rangrücktritts zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem eine Insolvenzreife des Forderungsschuldners nicht (mehr) vorliegt (“Durchsetzungssperre”). Der BGH führt allerdings auch aus, dass dem Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB der Rückforderungsausschluss des § 814 BGB entgegenstehen kann, etwa wenn der Forderungsschuldner (wie an sich regelmäßig anzunehmen), Kenntnis von der Durchsetzungssperre des Anspruchs hat.
Deshalb stützt der BGH die Begründetheit des Zahlungsanspruchs weiter auch auf § 134 Abs. 1 InsO (Schenkungsanfechtung). Die rechtsgrundlos geleistete Zahlung wird vom BGH ohne weiteres als Schenkung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO qualifiziert. Auf dieses anfechtungsrechtlich begründete Rückgewährverhältnis findet der Rückforderungsausschluss des § 814 BGB keine Anwendung.
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Begleichung einer Forderung, für die ein qualifizierter Rangrücktritt besteht, als Schenkung angefochten werden kann, wenn im Zeitpunkt der Begleichung objektiv Insolvenzreife besteht und der Forderungsschuldner innerhalb von vier Jahren nach der Begleichung Insolvenzantrag stellt. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Forderungen eines Gesellschafters oder eines Dritten handelt.
Hinweise und Gestaltungsempfehlungen TRACC LEGAL
Insbesondere in Fällen der Rückführung von Gesellschafterdarlehen wird man nach der Entscheidung des BGH neben dem Anfechtungstatbestand des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO immer auch die Anfechtungsmöglichkeit nach § 134 InsO im Auge haben müssen, wenn für das Gesellschafterdarlehen ein qualifizierter Rangrücktritt erklärt wurde. Der Anfechtungszeitraum verlängert sich dann von einem auf vier Jahre.
Mit besonderen Gefahren ist in diesem Zusammenhang die Veräußerung von Gesellschafterdarlehen im Rahmen von Unternehmenstransaktionen verbunden. Die Situation, dass neben dem Unternehmen selbst auch (Darlehens-)Forderungen gegen das Unternehmen mit veräußert werden, ist in der Praxis häufig anzutreffen.
Schon seit der Entscheidung des Neunten Zivilsenats des BGH vom 21.02.2013 (IX ZR 32/12) ist in einem solchen Fall zu beachten, dass der Veräußerer eines Gesellschafterdarlehens neben dem Erwerber des Gesellschafterdarlehens gesamtschuldnerisch für Anfechtungsansprüche nach § 135 InsO mit haftet, wenn der Erwerber sich das Gesellschafterdarlehen innerhalb eines Jahres nach Erwerb zurückführt und innerhalb dieses Zeitraums auch ein Insolvenzantrag für den Darlehensschuldner gestellt wird.
Diesem Risiko begegnet die Vertragspraxis in verschiedener Weise. Etwa indem der Unternehmens- und Darlehenserwerber verpflichtet wird, das Gesellschafterdarlehen frühestens 12 Monate nach Vollzug der Unternehmenstransaktion zurückzuführen.
Die Kombination des hier besprochenen Urteils des BGH mit dem Urteil vom Februar 2013 lässt ernsthaft befürchten, dass die Grundsätze der gesamtschuldnerischen Mithaftung des Veräußerers einer Darlehensforderung, für die ein qualifizierter Rangrücktritt erklärt wurde, nun auch für den Anfechtungstatbestand und -zeitraum des § 134 InsO gelten, mithin für vier Jahre nach Vollzug der Unternehmenstransaktion.
Um derartige Risiken zu minimieren, können folgende Empfehlungen abgegeben werden:
- Aufhebung eines qualifizierten Rangrücktritts zum frühestmöglichen Zeitpunkt, d.h. sobald eine Insolvenzreife des Darlehensnehmers objektiv nicht mehr gegeben ist.
- Veräußerung von Darlehensforderungen mit qualifiziertem Rangrücktritt im Rahmen von Unternehmenstransaktionen nur, wenn andere Handlungsoptionen (z.B. Einlage der Darlehensforderung in die Kapitalrücklage) nicht zur Verfügung stehen, etwa wegen steuerrechtlicher Implikationen.
- Verpflichtung des Erwerbers einer mit qualifiziertem Rangrücktritt versehenen Darlehensforderung, sich diese innerhalb von 48 Monaten nach Vollzug der Unternehmenstransaktion nicht, oder nur unter klar definierten Voraussetzungen, zurückzuführen. Absicherung dieser Verpflichtung durch werthaltige Sicherheiten (z.B. einen Garanten).
- Dingliche Übertragung der mit qualifiziertem Rangrücktritt versehenen Darlehensforderung frühestens nach Ablauf von 48 Monaten ab Vollzug der Unternehmenstransaktion.
- Übertragung der mit qualifiziertem Rangrücktritt versehenen Darlehensforderung an einen Treuhänder, der die Forderung erst 48 Monate nach Vollzug der Unternehmenstransaktion einziehen, oder zur Einziehung an den Erwerber abtreten darf.
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Der Autor: Rechtsanwalt Dr. Thomas Lotz ist Partner in der Rechtsanwaltskanzlei TRACC LEGAL in München. Dr. Lotz betreut seit 25 Jahren Unternehmenstransaktionen und berät bei gesellschaftsrechtlichen Fragen im Rahmen der Umstrukturierung und Reorganisation von Unternehmen. Für eine persönliche Beratung erreichen Sie ihn unter der Rufnummer +49-(0)89-95 44 302-89 und per E-Mail: lotz@tracc-legal.de