Unwirksame Gründung einer deutschen GmbH durch Schweizer Notar

Vorsicht bei der vermeintlich kostengünstigeren Beurkundung im Ausland!

Mit Beschluss vom 22. Januar 2016 hat das Amtsgericht (AG) Charlottenburg (99 AR 9466/15) entschieden, dass eine vor einem Schweizer Notar aus dem Kanton Bern gegründete deutsche GmbH nicht im Handelsregister eingetragen werden kann.

Das AG Charlottenburg stützt sich in seiner Entscheidung vor allen Dingen darauf, dass das im Kanton Bern geltende Beurkundungsverfahren derart von deutschen Standards abweiche, dass von einer Gleichwertigkeit der Beurkundung nicht ausgegangen werden könne. Deshalb genüge die Beurkundung der Form des § 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nicht.


Zum Hintergrund: Beurkundung in der Schweiz

Die Gebühr der deutschen Notare orientiert sich am Gegenstandswert. Wenn dieser sehr hoch ist, können schnell sechsstellige Beurkundungskosten zusammenkommen. Dagegen kann man mit Schweizer Notaren die Gebühr im Grundsatz frei vereinbaren. Viele Anwälte und deren Mandanten weichen deshalb mit nach deutschem Recht zu beurkundenden Vorgängen, insbesondere auch mit der Abtretung von Geschäftsanteilen im Rahmen von Unternehmenstransaktionen, seit Jahrzehnten in die Schweiz aus. Schon genau so lange währt die Diskussion, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Beurkundung in der Schweiz wirksam ist. Das hier besprochene Urteil des AG Charlottenburg führt einmal mehr vor Augen, dass es durchaus riskant sein kann, in der Schweiz zu beurkunden.


Warum eine Beurkundung in der Schweiz unwirksam sein kann

Die Beurkundung durch einen Schweizer Notar genügt den Anforderungen des § 2 GmbHG nur, wenn

1. der Notar für die Errichtung ein Verfahrensrecht zu beachten hat, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht und

2. der Notar nach Vorbildung und Stellung eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt.

Da nach der im Kanton Bern geltenden Notariatsverfassung Anlagen zu einer Urkunde gar nicht vorgelesen werden müssen und die Urkunde nur insoweit, als diese Willenserklärungen enthält, gelangte das AG Charlottenburg zu der Überzeugung, dass das in Bern geltende örtliche Beurkundungsverfahren erheblich von deutschen Standards abweicht. Das AG Charlottenburg betont dabei, dass es auch nicht darauf ankomme, ob der Schweizer Notar im konkreten Fall den höheren deutschen Beurkundungsstandard eingehalten hat, also beispielsweise die gesamte Urkunde nebst Anlagen verlesen hat. Maßgeblich für die Frage der Wirksamkeit nach deutschem Recht sei alleine, welches konkrete Beurkundungsverfahren der ausländische Notar einhalten muss.

Was das Urteil für deutsche Rechtsgeschäfte bedeutet

Das Urteil ist nach unserer Einschätzung auch auf die Beurkundung anderer Rechtsgeschäfte, etwa auf die Abtretung von  Geschäftsanteilen einer deutschen GmbH in der Schweiz, generell anwendbar. Für die Auslandsbeurkundung einer Geschäftsanteilsabtretung ist allgemein anerkannt, dass diese nur wirksam erfolgen kann, wenn die beiden vorstehend genannten Kriterien eingehalten sind

Insoweit ist davon auszugehen, dass das AG Charlottenburg im Ergebnis allen Schweizer Beurkundungen, die keine vollständige Verlesung der Urkunde zwingend vorsehen, die Anerkennung verweigern würde und zwar auch in Fällen, in denen der Schweizer Notar überobligatorisch die Urkunde samt Anlagen tatsächlich verliest.

Unter welchen Voraussetzungen ein Schweizer Notar deutsche Rechtsgeschäfte beurkunden kann

Im Ergebnis sollten nach deutschem Recht zu beurkundende Rechtsgeschäfte nur dann in der Schweiz beurkundet werden, wenn die beiden vorstehend genannten Kriterien ausgehend von der am jeweiligen Beurkundungsort in der Schweiz geltenden Rechtslage sicher erfüllt sind. Insbesondere kann nur dann bei einem Schweizer Notar auch nach deutschen Formvorschriften wirksam beurkundet werden, wenn dieser verpflichtet ist, die gesamte Urkunde zu verlesen, nebst den Anlagen; die auch nach deutschem Recht verlesen werden müssten.

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Der Autor: Rechtsanwalt Dr. Thomas Lotz ist Partner in der Rechtsanwaltskanzlei TRACC LEGAL in München. Dr. Lotz betreut seit 25 Jahren  Unternehmenstransaktionen und berät bei gesellschaftsrechtlichen Fragen im Rahmen der Umstrukturierung und Reorganisation von Unternehmen. Für eine persönliche Beratung erreichen Sie ihn unter der Rufnummer +49-(0)89-95 44 302-89 und per E-Mail: lotz@tracc-legal.de